Historische Entwicklung des VIA
Herr van Kaven
August von Kaven
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Das Schienenbahnwesen ist bereits mit der Gründung der RWTH im Jahr 1870, damals noch "Königlich Rheinisch-Westphälische polytechnische Schule", und der Berufung des ersten Rektors, des Eisenbahningenieurs August von Kaven, in Aachen etabliert worden. Von Kaven hatte vorher beim Ausbau des niedersächsischen Eisenbahnnetzes umfangreiche praktische Erfahrungen im Eisenbahnbau gesammelt und war danach am damaligen "Lehrstuhl für Wege- und Eisenbahnbau" in Aachen 21 Jahre lang tätig.

Ab 1891 wurde des Eisenbahnwesen in Aachen durch die Professoren Bräuler, Schimpff und Wentzel sowie die Dozenten von Willmann, Tils und Hartmans vertreten.

Nach dem 2. Weltkrieg übernahm 1946 Wilhelm Müller d. Ä. - zuvor bereits Ordinarius an den Technischen Hochschulen Dresden und Berlin-Charlottenburg - an der Aachener Hochschule den Lehrstuhl für Eisenbahnwesen. In seinem im In- und Ausland anerkannten Werk "Fahrdynamik der Verkehrsmittel" vertiefte er insbesondere die Eisenbahnbetriebswissenschaft und kann damit als Begründer dieser bis heute erfolgreichen Forschungs- und Entwicklungslinie am Verkehrswissenschaftlichen Institut der RWTH Aachen angesehen werden. Die Technische Hochschule Darmstadt hat ihm in Anerkennung dieser Arbeiten deshalb die Würde des Doktor-Ingenieurs Ehrenhalber verliehen.

Herr Mueller
Wilhelm Müller d. Ä.

1954 wurde Prof. Hermann Nebelung auf den Lehrstuhl, nun mit der Bezeichnung "Verkehrswirtschaft, Eisenbahnbau und -betrieb" berufen. Nebelung war als Ordinarius bis 1975 tätig.

Nach dem Umzug des Lehrstuhls aus dem Gebäude am Templergraben in den Neubau an der Mies-van-der-Rohe-Straße unweit des Bahnhofs Aachen-West im Wintersemester 1960/61 konnte 1962 die Eisenbahntechnische Lehr- und Versuchsanlage in Betrieb genommen werden.

In Nebelungs Amtszeit fallen eine Reihe richtungsweisender Forschungsarbeiten und Dissertationen, die die Eisenbahnbetriebswissenschaft in Deutschland bis heute prägen, so die Einführung des Begriffs der Sperrzeit durch Happel (1959) und die Arbeit von Kracke (1963), der später als Direktor des Instituts für Verkehrswesen, Eisenbahnbau- und betrieb der Universität Hannover eine sehr erfolgreiche Entwicklungslinie auf dem Gebiet der synchronen Simulation von Eisenbahnnetzen begründet hat.

Besonders hervorzuheben ist die ebenfalls von Nebelung betreute Dissertation von Schwanhäußer über die Bemessung von Pufferzeiten (1974), die noch heute die Grundlage für die stochastische Modellierung der Verspätungsübertragung darstellt. Der von Schwanhäußer hergeleitete Ansatz bildet den bedienungstheoretischen Kern der am Verkehrswissenschaftlichen Institut entwickelten Software-Tools.

Exkursion

Exkursion des Lehrstuhls Ende der 50er Jahre

Schwanhäußer hat 1976 die Nachfolge von Prof. Nebelung angetreten und die stochastischen Modelle bis zur Einsatzreife für die Praxis weiterentwickelt. Neben vielen anderen Arbeiten seien die unter der Betreuung Schwanhäußers entstandenen Dissertationen über die Berechnung der planmäßigen Wartezeiten in Fahrstraßenknoten mit Hilfe eines GI / GI / 1-Wartemodells (Wakob 1985), über die Grundlagen der asynchronen Simulation (Schultze 1985) und über die Wartezeiten infolge von Überholungen zu nennen (Gast 1987).

Die Systemkonfiguration lehnt sich systemseitig an die ESTW-Bauform der Fa. Siemens an, die seinerzeit auch den Aufbau der Anlage gefördert hat. Für das Modell-ESTW wurde das Konzept der hierarchischen Rechnerebenen prinzipiell übernommen, wobei jedoch, um den Vernetzungsaufwand der Module zu begrenzen, mehrere Funktionen der obersten Rechnerebene in Software ausgeführt und in einem gemeinsamen Zentralrechner vereinigt wurden.

In die Amtszeit von Schwanhäußer fällt auch der Ausbau der Forschungslinie im Bereich der Verkehrswirtschaft, die maßgeblich auf den Arbeiten des langjährigen Akademischen Oberrats des Instituts, Herrn Dr. Klaus Walther, und des von ihm entwickelten Verkehrswiderstands-Modells beruhen.

Mit Prof. Schwanhäußers Unterstützung wurde im Jahr 1982 die auch auf Initiativen von Prof. Nebelung zurückgehende Einrichtung des Lehr- und Forschungsgebietes Flughafenwesen realisiert (Prof. Wolf). Die enge Zusammenarbeit der beiden Fachgebiete führte zu einer Reihe wegweisender Forschungsarbeiten über den spezifischen Energieeinsatz im Verkehr.

Basierend auf den Arbeiten Happels und Schwanhäußers entwickelte Brünger Anfang der 90er Jahre ein Werkzeug zur rechnergestützten Feinkonstruktion von Eisenbahnfahrplänen. In diese Zeit fiel die Bahnreform in Deutschland, mit der plötzlich die dringende Notwendigkeit zur Einführung einer DV-gestützten Fahrplankonstruktion zur Sicherstellung des diskriminierungsfreien Netzzugangs und damit zur Ablösung des althergebrachten zeichnerischen Verfahrens bestand. Der rasch vollzogene Einsatz des durch Brünger erarbeiteten Modells im Trassenmanagement der DB Netz AG stellt einen bemerkenswerten Innovationssprung und ein sehr schönes Beispiel für einen gelungen schnellen Transfer einer wissenschaftlichen Entwicklung in die Praxis dar.

Gleisplan der H0-Anlage

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Nach der Emeritierung von Prof. Schwanhäußer sind der Lehrstuhl für Schienenbahnwesen und Verkehrswirtschaft und die Leitung des Verkehrswissenschaftlichen Instituts auf Prof. Wendler übergegangen.

Die Abwicklung der steigenden Anzahl an kommerziellen Aufträgen und Beratungsleistungen wurde in den 90`er Jahren an eine neu gegründete GmbH überführt, dem Airport Research Center (ARC). Im Jahr 1998 schied Prof. Wolf aus Altersgründen aus dem aktiven Hochschuldienst aus, blieb aber noch bis zum Jahr 2004 in der Lehre tätig. Zum Wintersemester 2004/05 wurde Prof. Reichmuth zum neuen Leiter des Lehr- und Forschungsgebiets Flughafenwesen und Luftverkehr ernannt. Die Berufung erfolgte in einem gemeinsamen Verfahren zusammen mit der gleichnamigen Abteilung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln, deren Leiter ebenfalls Prof. Reichmuth ist.

Aufbauend auf den Vorarbeiten Brüngers sind mittlerweile auch Modelle und Methoden zur Disposition von Eisenbahnnetzen (Jacobs 2003) entstanden und die bereits vorhandenen Simulations- und Bemessungsverfahren deutlich verbessert und erweitert und in entsprechenden Dissertationsschriften (Vakhtel 2002, Gröger 2002) dokumentiert worden.